Das Buch enthält 13 Bilder und ist u.a. beim Synergia-Verlag erhältlich.
Das Ankommen im Hier und Jetzt, die Hingabe an das Leben, so wie es ist, beendete meine Suche nach dem vergänglichen Glück im Außen und einer Erleuchtung. Wahre Erfüllung bedeutet für mich nun, jeden Moment vollkommen anwesend zu sein und ohne Widerstand im Fluss des Lebens zu fließen. Mit diesem ehrlichen Tagebuch über meine Befreiungsprozesse möchte ich Menschen, die noch im Leid der Vergangenheit - der Ego-Spirale - gefangen sind, Mut machen, sich den verborgenen Emotionen, energetischen Blockaden und alten Programmierungen zu stellen, um sich aus der Identifikation mit dem Ego zu befreien. Die Seele will heil und ganz sein. Werden alle Aspekte des Menschseins angeschaut und transformiert, verwandelt sich das Ego vom Hindernis zum Tor ins Erwachen.
Mittwoch, 27. März 2013 Die ersten Schritte in die Unabhängigkeit
Die Mutter rief mich gestern voller Hektik an: Mein älterer Bruder Patrick sei so krank und ich müsse mich dringend um ihn kümmern! Ich entgegnete, er könne doch selbst zum Arzt gehen. Ihr Befehlston regte mich sehr auf, und schon fühlte ich mich wieder wie ein kleines Kind: Hilflos, schuldig, gefangen und überfordert. Am liebsten wäre ich geflüchtet. Wütend dachte ich: “Kümmere dich selbst um deine Probleme! Ich habe Urlaub und will meine Ruhe!“ Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich der Mutter Widerworte gegeben hatte. Eine innere Stimme sagte: „Du bist eine böse Tochter, schäme dich!“ Leider stand heute noch der wöchentliche Einkauf für die Mutter an, obwohl ich ihr wirklich lieber nicht begegnet wäre.
Als ich zu ihr fuhr, war ich extrem aufgeregt und bekam drückende und stechende Schmerzen in der Brust. Zu dem ängstlichen Teil sagte ich: „Du darfst da sein! Ich werde nichts tun, was ich nicht mag! Ich bin über 50 Jahre alt und muss mir nichts mehr befehlen lassen! Vertraue mir!“ Mir war schon klar, dass die Mutter die Taktik des Jammerns und Klagens anwenden musste, um sicherzustellen, dass ihre Bedürfnisse schnell und zuverlässig erfüllt wurden. Aber dieses Wissen allein befreite mich noch nicht von meinen antrainierten Reaktionen auf ihr Verhalten.
Durch ihre unbewussten Manipulationen hüllte sie mich und meine Geschwister in einen diffusen Nebel aus schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen, sodass wir nicht mehr klar denken konnten. Aber heute durchbrach ich zum ersten Mal mein altes Reaktionsmuster. Als ich ihr den Einkauf in die Küche trug, war es mir trotz meiner Angst gelungen, nicht wie üblich mit Erklärungen oder Rechtfertigungen auf sie zu reagieren, sondern mit nicht defensiven Antworten. Als sie wieder damit anfing, ich solle unbedingt den kranken Patrick kontaktieren, entgegnete ich: „Es ist bestimmt schlimm für dich, nicht zu wissen, wie es Patrick geht. Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst. Doch das ist im Moment nicht zu ändern.“ Ich verwendete in der gesamten Zeit, die ich mit ihre verbrachte, diesen neuen Stil der Kommunikation. Durch die Wörter „dich“ und „du“ blieben die negativen Schwingungen bei ihr. Als ich heimfuhr, ging es mir erstaunlich gut! Anscheinend hatte sie heute ihre Negativität nicht auf mich übertragen, und das fühlte sich prima an!
Freitag, 29. März 2013 Der Körper zittert vor Angst
Heute fuhr ich zur Mutter, weil ich versprochen hatte, eine Urinprobe abzuholen und sie ihrer Ärztin zu vorbeizubringen. Als ich dort ankam, begrüßte ich sie kurz und fragte: „Hast du den Urin vorbereitet?“ Sie: „Ja, ich habe zwei Flaschen Urin hergerichtet.“ „Warum denn zwei?“ fragte ich. Sie sagte: „Zur Sicherheit, wenn mit einer was passiert! Ich fahre auf jeden Fall mit zu der Ärztin! Da muss ich dringend dabei sein!“ Ich sagte, ich würde sie auf keinen Fall mitnehmen, da wir das anders besprochen hatten. Nun wurde ihr Tonfall schärfer, weil sie ahnte, dass ich ihren Befehlen nicht gehorchen würde: „Ich muss da ganz dringend mitgehen!“ Obwohl ich schon wieder wütend war, würde ich ihr heute nicht nachgeben!
Ich rief bei der Hausärztin an, welche mir bestätigte, dass die Mutter nicht mitkommen müsse. Mein ganzer Körper zitterte inzwischen, als ich die Mutter anfuhr: „So, deine Ärztin sagte, dass man dich nicht braucht! Alles klar? Und du hörst auf der Stelle auf, mich anzuschreien!“ Wir stritten noch eine Weile weiter, bis es mir endgültig reichte. Ich ging in Richtung Haustüre und brüllte: „Ich fahre jetzt! Für so einen Quatsch habe ich keine Zeit!“ Das konnte sie nicht fassen: „Aber danach kommst du nochmal her!“ Ich schrie: „Nein! Dazu habe ich keine Lust!“ Ich drehte mich um und ging. Das war das erste Mal, dass ich mich lautstark gegen ihre erpresserische Art gewehrt und sie dann tatsächlich verlassen hatte.
Im Auto schrie ich wütend weiter: „Ich habe genug von ihren blöden Befehlen! Das kann sie machen, mit wem sie will, mit mir nie wieder!“ Nachdem ich den Urin in der Arztpraxis abgegeben hatte, fuhr ich heim. Ich war zufrieden mit mir, weil ich nicht nachgegeben hatte, überlegte aber, ob ich meine Wut zu sehr ausagiert hatte. Oder war es in Ordnung, einige der verbotenen Worte und verdrängten Gefühle einfach mal rauszulassen? Hautsache, mir war es gelungen, mich trotz meiner großen Angst nicht von ihren Forderungen einschüchtern zu lassen! Nachts litt ich noch stundenlang unter Angst und Herzrasen, weil ich die Mutter so heftig angefahren hatte. Aber es war höchste Zeit, mich aus dieser ungesunden Abhängigkeit von der Mutter zu befreien.
Sonntag, 31. März 2013 Angst und große Schuldgefühle
Ich sagte mir immer wieder: „Ich bin kein schlechter Mensch, wenn ich der Mutter nicht alle Wünsche erfülle! Niemand hat das Recht, mich zu manipulieren, zu versklaven oder mich ständig für seine Zwecke zu missbrauchen. Ich bin nicht für ihr Leid und ihre Krankheiten zuständig und ich darf auch mal wütend sein!“ Trotzdem quälten mich seit gestern Abend große Schuldgefühle, weil ich die Mutter so angebrüllt hatte. Schon bei dem Gedanken, morgen auf die Kommunionfeier meines Neffen zu gehen, bekam ich panische Angst, weil ich dort auf die Mutter treffen würde. Was sollte ich nur machen? Ich fand gestern keine Antwort mehr, weil ich geistig regelrecht verwirrt war und mich einfach nur total hilflos fühlte. Ich versank in tiefer Resignation und dachte auch manchmal darüber nach, wie schön es doch wäre, sich vom Leben verabschieden zu können. Heute Morgen entschied ich mich dazu, nicht zu der Feier zu gehen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wieder gute Miene zum bösen Spiel zu machen, meine Wut in mich hineinzufressen und mich von der Mutter stundenlang leidend und vorwurfsvoll anstarren zu lassen.
Es war anscheinend die richtige Entscheidung gewesen, denn meine Angst ließ danach ein wenig nach. Stattdessen überfiel mich jetzt eine abgrundtiefe Traurigkeit und ich weinte viel. Sarah rief mich abends noch an und ließ mir ausrichten, dass ich meine Mutter anrufen solle, doch das kam für mich nicht in Frage. Ich musste mich erst einmal um mich selbst kümmern und herausfinden, wie es weitergehen sollte.
Dienstag, 2. April 2013 Trauer und Schmerz des verlassenen inneren Kindes
Am Montag kam die Angst über mich wie eine Riesenwelle, aber irgendwie schaffte ich es, mich von ihr nicht völlig überwältigen zu lassen. Ich fühlte die Angst in mir und sprach beruhigend auf sie ein, behielt aber zeitgleich ein wenig Distanz zu ihr, um nicht die Kontrolle zu verlieren. So war ich in der Lage, meine Aufmerksamkeit von dem Gefühl abzuziehen, falls es mir zu viel werden sollte. Als Nächstes kam ein mächtiger Schmerz hoch. Es fühlte sich so an, als hätte ich die Liebe der Mutter nun endgültig und für immer verloren! Mich überkamen heftige Gefühle der Verlassenheit und Hoffnungslosigkeit, weil ich langsam einsehen musste, dass ich die Liebe, die ich als Kind so dringend von meiner Mutter gebraucht hätte, auch in Zukunft nie mehr bekommen würde!
Jetzt wurde der ganze unterdrückte Schmerz meines verletzten inneren Kindes an die Oberfläche gespült. Die Schutzdämme waren gebrochen! Es war kaum auszuhalten! Manche Momente waren so schmerzhaft, dass ich nicht mehr weiterleben wollte. Nach über 50 Jahren erfolgreicher Verdrängung fing der Schmerz nun an, mit voller Wucht in mein Bewusstsein zu dringen. Wie sollte ich das nur durchstehen?
Ich hatte in der letzten Zeit gelernt, dass nur meine liebevolle Zuwendung die inneren Anteile wie Angst, Wut oder Trauer etwas beruhigen konnte: „Du darfst da sein und mir alles zeigen, auch deinen allerschlimmsten Schmerz. Ich verstehe, warum du so ängstlich, wütend oder traurig bist! Ich fühle mit dir und bin für dich da. Ich lasse dich nie mehr im Stich!“ Meine inneren Teile fingen an, mir ein wenig zu vertrauen, weil ich ihnen schon des Öfteren bewiesen hatte, dass ich ihre Emotionen und Gedanken wirklich ernst nahm. Auch heute widmete ich mich so lange dem Schmerz meines inneren Kindes, bis es sich etwas besser fühlte. Danach beschloss ich, dass ich der Mutter morgen einen Besuch abstatten würde.
Sonntag, 25. Jan. 2015 Verzweiflung, Kraftlosigkeit, Übelkeit, innere Hitze
Heute ging mein Energiepegel gegen Null, mir war übel und ich konnte mich kaum auf den Füßen halten. Mein innerer Zustand war voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Am liebsten wäre ich vor diesen Emotionen geflohen, aber es gab keinen anderen Ausweg, als mich hineinzuwagen in dieses schwarze, düstere Loch. Diese innere Leere war schrecklich: Es war einfach nichts mehr da, was mich interessierte. Mir kam alles total sinnlos vor und ich hörte den Satz: „Mir reicht’s! Ich kann und will nicht mehr!“ Ich fühlte mich depressiv, einsam und verlassen. Das war alles andere als schön, aber ich fokussierte trotzdem auf die Leere, Verzweiflung, Einsamkeit und auch auf die starke innere Hitze.
Am Nachmittag kam es zu einem Streit mit Jörg, weil er seine Tochter heute noch einladen wollte, obwohl ich mich so energielos fühlte. Verstand er das denn nicht? Meine Bedürfnisse zählten wohl nicht? Ich fand es wirklich ungerecht und sagte zu ihm: „Wenn du dich schlecht fühlst, sagst du immer alle Besuche ab. Ich darf das aber nicht! Also zählt mein Unwohlsein weniger als deines! Außerdem muss ich mich ständig rechtfertigen für meine Müdigkeit oder meine Unpässlichkeit. Am Ende bin immer ich die Schuldige, die Böse. Darauf habe ich keine Lust mehr!“ Jörg erwiderte, das würde nicht stimmen, da er es sehr wohl respektieren würde, wenn ich meine Ruhe bräuchte und sagte daraufhin tatsächlich den Besuch ab. Ich war froh, mein Bedürfnis nach Ruhe ausgedrückt zu haben, obwohl ich noch etwas Angst dabei empfunden hatte. Diese Angst, welche mir einreden wollte, es stehe mir nicht zu und es sei zu gefährlich, eigene Ansprüche zu erheben, war nur eine alte, mahnende Stimme aus der Vergangenheit. Dennoch widmete ich mich voller Verständnis dieser Angst, bis sie nachließ. Irgendwann wurde es innen so ruhig, dass ich den Herzschlag fast nicht mehr spüren konnte. Ich erfuhr einen tiefen inneren Frieden.
Montag, 26. Jan. 2015 Innere Hölle: Abgrundtiefe Verzweiflung
Das innere Glühen ging weiter und mein Seelenzustand verdüsterte sich immer mehr. Als ich vormittags darin eintauchte, zeigte sich bald ein großer innerer Schmerz, den ich anfangs als ziehenden und stechenden Schmerz in Brust und Bauch wahrnahm. Ich erlaubte ihm, da zu sein. Dadurch wurde er intensiver und meine Verzweiflung nahm noch zu. Mein ganzes Leben und all meine Bemühungen kamen mir so irrsinnig sinnlos vor. Ich spürte bodenlose Verzweiflung und begann zu weinen. Meine Gedanken sagten: „Ich mag nicht mehr! Ich kann so nicht mehr weiterleben. Ich fühle mich wie eine Gefangene, vielleicht steht die Tür in die Freiheit schon auf, doch ich kann sie nicht finden!“ Ich sagte auch: „Ego, gib auf! Lass es einfach sein! Ich will nicht mehr, dass du mir ständig Leid erschaffst!“ Mich überkam das absolut niederschmetternde Gefühl, alleine nicht mehr aus dieser Seelendunkelheit herauszufinden.
Ich war am Ende, rief innerlich um Hilfe und musste zugeben, dass ich selbst einfach gar nichts mehr tun konnte. Ich gab die Kontrolle auf und sagte: „Mache du es, Gott (Bewusstsein), denn ich kann es nicht alleine! Ich kann nichts mehr tun. Ich gebe mich dir hin.“ Der ganze Körper schmerzte und ich hatte das hoffnungslose Gefühl, dass mein ganzes Leben umsonst war. Ich stellte mich dieser grauenvollen Ohnmacht, war aber gleichzeitig auch unendlich traurig darüber, aufgeben zu müssen. Ich ergab mich dieser völligen Verzweiflung und weinte über meine innere Verlassenheit. Aber ich brauchte wirklich meinen ganzen Mut, um mich dieser düsteren, trostlosen Innenwelt zu stellen, vor allem, weil ich absolut keine Ahnung hatte, ob sich dieser Zustand jemals ändern würde. Wenn man in so derart tiefe Abgründe schaute, dann hatte das schon etwas mit einem Besuch in der Hölle zu tun. Nach langen Stunden des Fokussierens nahm die innere Last langsam ab. Anschließend konnte ich erstaunlicherweise voller Elan und Energie in die Arbeit gehen. Das war schon verblüffend! Keiner ahnte, was ich kurz zuvor erlebt hatte! Mittwoch, 28. Jan. 2015 Schmerzen, Zucken und Wabern in Brust und Rücken
Gestern Nacht hatte ich noch massive Schmerzen in der Brustmitte. Es gab da so eine Art Mittelpunkt, der ganz besonders wehtat. Wieder einmal war mein innerer Körper in großem Aufruhr: Energien strömten, waberten und zuckten, vor allem am unteren Rücken. Der Schmerz zog von der Brust hinauf bis zum Hals, doch durch meine liebevolle Aufmerksamkeit kam mein Organismus allmählich wieder zur Ruhe. Als ich heute Morgen die Augen öffnete, war es innen total leer und wunderbar ruhig.
Freitag, 30. Jan. 2015 Brustschmerzen – Ehrliches Gespräch mit Jörg
Gestern bekam ich gegen Mittag starke Kopfschmerzen. Da ich bald zur Arbeit musste, legte ich mich noch eine halbe Stunde hin. Nun kamen wieder einmal unsägliche Brustschmerzen dazu. Diesmal stach es vor allem links. Mir wurde richtig übel und ich bekam sowohl Kälte- als auch Hitzeschübe. Insgesamt ging es mir immer schlechter, sodass ich leider allen meinen Schülern absagen musste. Es war völlig undenkbar, in einem solchen Zustand zu arbeiten!
Abends, als es mir ein wenig besser ging, führte ich noch ein gutes, ehrliches Gespräch mit Jörg, in dem es darum ging, wie wir unser Zusammenleben noch verbessern konnten. Es war schön, so offen mit ihm sprechen zu können. Ich nutzte nun diese Chance, um ihm zu sagen, dass ich in Zukunft gefragt werden wollte, bevor Sandra uns besuchen kam, ganz besonders, wenn sie auch noch mehrere Leute mitbringen mochte. Ich gab zu, dass ich mich oft überfordert fühlte von dem stundenlangen Reden, dem Trubel, der Kocherei und dem vielen Geschirr. Alternativ schlug ich vor, seine Tochter könne ja auch mal alleine zu uns kommen oder er könne sie in ihrer eigenen Wohnung besuchen, schließlich musste nicht immer alles bei uns stattfinden. Während des langen und produktiven Gesprächs mit Jörg ließen alle meine seelischen und körperlichen Beschwerden nach. Wir einigten uns am Ende darauf, dass Sandra uns morgen besuchen konnte, und zwar ohne andere Leute mitzubringen. Ich war sehr dankbar für unseren offenen Austausch und fühlte mich danach sehr erleichtert und zufrieden.
Das Thema „Sandra kommt mit ihrer Familie zu Besuch“ machte mir noch häufiger zu schaffen, weil ich mich immer so völlig vereinnahmt von diesen vielen Menschen fühlte – wie eine Gefangene, die nichts zu sagen hatte, sondern nur dazu da war, die Wünsche der anderen zu erfüllen. Vermutlich hing das damit zusammen, dass früher meine privaten Grenzen regelmäßig missachtet worden waren. Ich wurde im Alter von zehn Jahren in ein Klosterinternat geschickt und musste dort bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr ausharren. Im Kloster gab es keinen Rückzugsraum und keine Privatsphäre. Man war ständig in Gruppen – beim morgendlichen Waschen, beim Essen und im Schlafsaal – und man musste sich ständig anpassen an die Regeln der Nonnen. Dazu kam noch, dass mich meine Mutter an den Wochenenden, an denen ich heimkommen durfte, ständig bespitzelte, meine persönlichen Sachen durchsuchte und sogar einige meiner intimen Tagebücher las und anschließend im Wald verbrannte!
Kein Wunder, dass ein Teil von mir immer noch sehr empfindlich und ängstlich reagierte, wenn andere Leute wieder ungefragt in meine Privatsphäre eindrangen und meine Grenzen überschritten. Das war ein starker Trigger für mich, weil ich mich sofort wie damals fühlte: übergangen, wertlos und ohnmächtig. Das furchtbare Gefühl der Ohnmacht und des totalen Kontrollverlustes kam nun jedes Mal hoch, wenn Sandra ihren Besuch ankündigte. Ich musste diese Emotionen, die so lange in mir eingeschlossen waren, endlich fühlen und integrieren und sie als Teil meiner Vergangenheit anerkennen. In den Momenten des tiefen Annehmens verstand ich: Es existierte keine reale Bedrohung mehr. Niemand konnte mir heute noch etwas anhaben oder mich zu etwas zwingen. Das hieß, ich musste mich endlich auch im Alltag wie eine Erwachsene verhalten. Wenn meine inneren Teile das immer öfter beobachten konnten, mussten sie mich nicht mehr so rigoros beschützen und konnten sich stattdessen entspannen.
Neben dem Fühlen aller verbannten Emotionen ist meiner Meinung nach auch das wohlwollende Annehmen aller besorgten, beschützenden und manchmal auch hart kritisierenden Teile ein wesentlicher Baustein, um zu einem vollständigen, heilen und ganzen Menschen zu werden, der sich bedingungslos selbst lieben kann, wie er ist. Auch wenn die Anerkennung der eigenen Schattenanteile kein leichter Weg ist, ist es für mich der einzig überzeugende Weg in die innere Freiheit.
Samstag, 27. Febr. 2016 Von Überforderung und Wut zur Glückseligkeit!
In den letzten Tagen gab es wieder unendlich viele Dinge für die Mutter zu erledigen und ich nahm das wieder als totale Überforderung wahr. Ich war auch wütend, weil ich deshalb so wenig Zeit für mich hatte. Leider ging es dabei um Aufgaben wie Anträge beim Versorgungsamt oder der Krankenkasse, die ich nicht gut an die Geschwister weitergeben konnte. Aber jetzt war zum Glück Wochenende und ich konnte mich hinlegen, um meine Wut zu fühlen und zu hören, was sie mir zu sagen hatte: „Immer muss ich alles alleine machen! Mir reicht es jetzt, weil ich überhaupt kein eigenes Leben mehr habe!“ Ich machte der Wut klar, dass ich sie gut verstand. Ich versprach ihr, dass ich, sobald es um Dinge ging, die andere mir abnehmen konnten, ganz sicher Hilfe einfordern würde. Danach tröstete ich mein trauriges inneres Kind, das sich immer noch im Stich gelassen fühlte. Später vernahm ich noch eine mahnende Stimme, die meinte, ich müsste der Mutter immer schön brav zu Diensten zu sein.
Ihr erklärte ich: „Das stimmt nicht. Ich habe Geschwister, die mithelfen können und ich darf der Mutter sehr wohl Grenzen setzen, wenn sie es übertreibt mit den endlosen Ansprüchen. Ich bin kein kleines Kind mehr, das Angst vor Strafe oder dem Verlust ihrer Liebe haben muss! Und ein schlechter oder sündiger Mensch bin ich deswegen auch nicht!“ Wie immer überprüfte ich alle Gedanken auf ihren Ursprung und ihren Wahrheitsgehalt. Das Resultat war mehr geistige Klarheit und eine spürbare innere Erleichterung. Wut und Traurigkeit lösten sich nach und nach auf und gingen über in einen ruhigen und friedlichen Zustand.
Heute setzte ich meine Vorsätze, Grenzen zu setzen und Hilfe einzufordern, endlich in die Tat um und gab verschiedene Dinge, die man für die Mutter erledigen musste, an meine Geschwister ab. Also – ging doch! Hinterher fühlte ich mich wie befreit von einer großen Last. Ich hätte tanzen können vor Glück! Danke!
Wer bin ich? Eine „Antwort“!
In dieser Nacht hatte ich noch ein spezielles Erlebnis: Ich befand mich in einem Zustand tiefer innerer Versunkenheit und fragte immer wieder: „Wer bin ich?“ Plötzlich bekam ich eine Antwort, die mir auf einer energetischen Ebene vermittelt wurde. Es fing innerlich alles an zu vibrieren! Zuerst durchfuhr mich ein großer Schreck. Ich sagte mir aber: „Das lasse ich zu, das kann ich aushalten!“ Dann kam es schlagartig zu einer Art innerer Explosion! Aus meiner Mitte heraus dehnte sich nun mein ganzes Wesen in Lichtgeschwindigkeit aus – in alle Richtungen! Etwas in mir wollte sich mir vollständig zeigen. Es war, als wenn dieses Etwas zu mir sagte: „Schau’ mal hierher!“ Und ich sagte in diesem Moment leicht erstaunt: „Ja, das bin ich! Das bin wirklich ich!“ Ich versank immer mehr in diesem wunderbaren, grenzenlosen Sein und hier war einfach alles gut. Das alles passierte aber nicht wirklich nacheinander, sondern seltsamerweise gleichzeitig! Diese Erfahrung war aber so unbegreiflich, dass ich sie mit Worten wirklich nicht angemessen beschreiben kann.
Sonntag, 28. Febr. 2016 Leichtigkeit und die pure Freude am Da-Sein
Heute bemerkte ich eine große innere Verwandlung: Ich fühlte mich erstaunlich leicht, erfrischt, klar und unbelastet. Alle meine persönlichen Sorgen und Nöte waren fort und es kam mir so vor, als hätte sich eine andere Wahrheit in den Vordergrund geschoben! Gestern war anscheinend irgendeine Art von Präsenz da gewesen, die sich meiner angenommen hatte. Wieder war einiges an Unwahrem von mir genommen worden. Es war, als würden sich die Dinge auf geheimnisvolle Weise ganz von selbst klären, ohne mein Zutun. Es reichte wohl wirklich aus, sich dem Leben anzuvertrauen und alles, was geschah, ohne Einmischung oder Interpretation des Egos zuzulassen. Eine größere Kraft verhalf mir anscheinend dabei, mich zu befreien und meine wahre Natur zu erkennen!
Je mehr solcher unerklärlichen Reinigungsprozesse ich durchlief, umso öfter bekam ich Zugang zu dieser liebenden Präsenz. Es war eine neue Intensität der Wahrnehmung entstanden, das hieß, ich erlebte das Leben deutlicher, klarer, dichter und tiefer. Und ich empfand so viel Freude! Aber es war keine laute, überschäumende Freude, die Luftsprünge machte, sondern eine feine innere Freude, in der ich nichts weiter brauchte als das, was gerade da war. Es war die pure Freude am Da-Sein! Ich fühlte mich vollkommen lebendig und es fehlte einfach gar nichts. Ich war so durchdrungen von Leichtigkeit, Wohlbehagen und dem Glück, dass ich nur noch genau hier sein wollte!
Diese Präsenz war so allgegenwärtig, so alles erfüllend, dass sich auch alle Ego-Gedanken demütig zurückzogen. In ihr durfte alles auftauchen und wieder vergehen. Psychologisch gesehen war ich weder glücklich noch unglücklich. Es war zwar ein sehr intensives Empfinden, aber mein Blick auf das Leben war absolut neutral, weil hier – in dieser Präsenz – nichts beurteilt wurde. Hier gab es kein Richtig oder Falsch, Gut oder Böse, Angenehm oder Unangenehm. Diese Präsenz stellte mich mitten in die Realität hinein, in das, was wirklich da war, ohne Vorstellungen, Einmischungen oder Verzerrungen durch den Verstand.
Dieses totale Hiersein war auch körperlich spürbar: als Wärme im Oberbauch, als anwesende, liebevolle und Halt gebende Wärme und als ein undefinierbarer Druck im Inneren, der mich immerzu daran erinnerte, dass ich mit etwas Größerem verbunden war. Dieses Eingebunden-Sein nahm ich nun ständig und ohne Unterbrechung wahr. Und wenn ich mich zusätzlich noch in eine tiefe, meditative Versenkung begab, intensivierte sich das Gefühl des Gehaltenseins über alle Maßen. Dieses Sein in Präsenz hatte die Macht, einen Wandel herbeizuführen und die Seele auf tiefster Ebene zu heilen.
Eine große Freude strahlte von innen heraus; ich nannte sie „Das innere Lächeln“. Wenn ich Menschen in die Augen sah, wenn ich redete oder auch still war – immer wieder war da dieses innere Lächeln, diese freudige Energie, welche sicher auch auf die Menschen übersprang, mit denen ich in Kontakt war. Wenn ich aus diesem inneren Lächeln heraus handelte, dann handelte ich aus Liebe. Wenn alles fließen durfte, fand alles aus dem Moment heraus statt, völlig frei und ungefiltert. Der Verstand zog sich dann oft sogar zurück, denn er wurde hier nicht gebraucht.
In diesem Seins-Zustand mussten keine gedanklichen Entscheidungen mehr gefällt werden. Ich bin wirklich unbeschreiblich dankbar dafür, Zugang zu meinem wahren Ursprung allen Seins – der Liebe und der Freude - gefunden zu haben. Hier fühle ich mich wunderbar verbunden, getragen, geliebt und beschützt.